Kanadische Freundlichkeit

In der Rubrik "Länderkontest: Deutschland-Kanada" nehmen wir heute mal das Thema Kanadische Freundlichkeit unter die Lupe.

Die sogenannte Freundlichkeit in Deutschland ist ja bekannt. Um das ganze mal in den Vergleich zu rücken, ein paar Beispiele aus dem Alltag. (Es handelt sich um Erfahrungsberichte; der Vergleich darf gerne durch andere Beispiele von außen fortgeführt werden. Im Zeitalter von Web 2.0 rufen wir unsere Leser selbstverständlich zur Interaktion auf.)


Kanadische Freundlichkeit am Exempel: hier "auf die Füße treten"

Wird sowohl in Deutschland als auch in Kanada praktiziert. In Deutschland werden als Folge meist giftige Blicke ausgetauscht, eventuell ruft man noch ein elegantes "wohl geene Oochen im Gopp?" hinterher und dann meckert man über den Fleck auf den frisch polierten Schuhen.

In Kanada werden (in den meisten Fällen) überschwengliche Entschuldigungen ausgetauscht. Beiderseits!

Leicht irritierent guckt der Neu-Kanadier den Menschen an, dem man gerade wenig zart die Zehe geplättet hat und der sich mit leicht verzerrter Miene erkundigt, ob es einem gut geht. Mhm? Gewöhnungsbedürftig aber nett.

Nur im Falle von "getreten werden" muss man aufpassen, dass man selber nicht in deutsche Gewohntheiten zurückverfällt. "Dankeschön! Ganz toll!...also das ist doch wirklich unglaublich!!!"


Kreuzungen und andere Gefahren

Wer kennt das nicht: Berufsverkehr, ein Auto nach dem anderen, der nächste Fußgängerüberweg ist schrecklich weit weg und man muss jetzt sofort da rüber zu dem Schuh-Sale. In good old Germany ist das teilweise ein gefährliches Unterfangen.

Der deutsche Autofahrer hat einen ausgeprägten Ehrgeiz an der Stoßstange des Vordermannes dranzubleiben. Wer einen durchlässt, hat verloren. Wenn Muttern sich vorsichtig zwischen parkenden Autos vorbeugt, um die Lage abzutasten, läuft sie Gefahr die Einkaufstüten und die Jackenknöpfe an den nächsten Laster zu verlieren.

Jeder waghalsige Versuch, eine vermeintliche Lücke zu erwischen, wird durch lautes Gasgeben der Motorisierten unterbunden. (Jaja, jeder fühlt sich jetzt unschuldig - aber ganz ehrlich: ohne die entsprechenden Streifen auf der Straße fühlt sich keiner verpflichtet).


Und jetzt die Variante a la kanadische Freundlichkeit. Dazu gibt es ein schönes Beispiel vom Besuch einer Freundin hier in Vancouver. Es ist nämlich so, dass hier meist eine Zehe auf der Straße reicht, um den ganzen Verkehr zum Erliegen zu bringen.

Der Wunsch und Wille, die Straße zu kreuzen, wird sofort vom Autofahrer erkannt; man hält immer an. Nicht nur für Senioren oder Frauen im Minirock. Nein - für ALLE! Das führt in manchen Fällen soweit, dass man - und so auch unsere arme Besucherin - an der Kreuzung steht, sich gerne mal orientieren möchte und sich nach links und rechts umsieht.

Das kann man als pflichtbewusster Kanadier schon mal in den falschen Hals bekommen. Innerhalb von 3 Sekunden stehen alle Autos und man ist quasi gezwungen, die Straße zu überqueren, freundlich zu winken und ein stummes Thank you mit dem Mund zu formen. Alles andere wäre auch echt unhöflich.


Sonderthema Parkhaus/-platz

Dazu gibt es eigentlich fast keinen Vergleich zu Deutschland. Das ist für uns vorerst ein Phänomen ausschließlich kanadischer Freundlichkeit. Also, man gehe in ein Parkhaus und steure auf den Automaten zu, um ein Ticket zu kaufen. Plötzlich kommt ein Kanadier angelaufen (oder realistischer: gefahren) und wedelt mit seinem Ticket in der Luft.

Das sei jetzt noch ne Stunde oder den Rest des Tages gültig und man könne das gerne haben. Echt? Ja klar. Danke! Toll! Schönen Tag noch. Wiederseh'n. ........Wow..unglaublich, hast du das gesehen? Wir sind total verwirrt.

Zuerst haben wir an einen Einzelfall geglaubt. Nachdem sich das jetzt aber schon zum vierten Mal wiederholt hat, haben wir beschlossen das gehört hierher und haben es sofort in unseren Verhaltenskatalog eingefügt. Ist doch nett.

So ist das mit den Verschiedenheiten und weil das mit der Umstellung manchmal schwierig ist, sieht man hier öfter einen weißen Honda an wartenden Fußgängern vorbeibrettern, Entschuldigungen fürs Getretenwerden sind noch nicht so geläufig und Schimpfwörter fallen noch immer - aber immerhin in deutsch und mit freundlicher Miene. So wird man zumindest falsch verstanden.

verfasst September 2007

Vancouver, BC


Eigene Erfahrungen zum Thema "Kanadische Freundlichkeit: gemacht ? Wir wollen's wissen....

Von Kanadischer Freundlichkeit zu weiteren Kuriositäten....




Home